Fritz Vahrenholt, Gastautor / 07.02.2024 / 06:10 / Foto: Pixabay / 101 / Seite ausdrucken

Vom toten Pferd: Phantomstrom wird immer teurer

Die Widersprüche der grünen deutschen Energiepolitik sind allmählich nicht mehr auszuhalten. Was aber nichts daran ändert, dass die Beteiligten offenbar gewillt sind, bis zum bitteren Ende so weiterzumachen.

Zu Beginn des neuen Jahres freute sich Wirtschaftsminister Habeck über den im Jahre 2023 gestiegenen Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Doch Ende Januar präsentierten die vier Stromnetzbetreiber die böse Rechnung: Der Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken führt immer häufiger dazu, dass bei Starkwind oder starker Sonneneinstrahlung mehr Strom produziert als benötigt wird. Die Strompreise an der Börse sinken gen null, aber die Windanlagenbetreiber bekommen 7,35 €ct/ kWh an garantierter Einspeisevergütung, die Solaranlagenbetreiber 11 bis 13 €ct/kWh

Die Differenz gleicht der Bundeshaushalt aus Mitteln der Steuerzahler aus. Geplant waren hierfür im Haushalt 2024 10,6 Milliarden Euro. Auf Grund des häufigeren Überangebots ist die Einspeisevergütung immer öfter höher als der Börsenpreis, und demzufolge steigt die Differenz und damit die Subvention der Wind- und Solaranlagenbetreiber in 2024 um sage und schreibe 7,8 Milliarden Euro. 

Die Netzbetreiber strecken diese Summe vor und fordern sie nun vom Finanzminister ab, der hierfür kein Geld mehr im Haushalt hat. Denn das Verschieben von Milliardenschulden in den sogenannten Transformationsfonds, aus dem die Subvention bezahlt werden sollte, hatte das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Zwar fließen in den Transformationsfonds die CO2-Abgaben der Bürger für die Gas- und Strom-Heizung sowie für Benzin und Diesel, die CO2-Abgabe der Industrie und die angehobene Dieselsteuer der Bauern, aber das wird nicht reichen, den wertlosen Überschussstrom aus Wind- und Solaranlagen mit 18,6 Milliarden Euro zu bezahlen.

Auf Grund des weiteren Zubaus wird dieser Betrag Jahr für Jahr weiter steigen, solange das Erneuerbaren-Energien-Gesetz mit dem auf 20 Jahre garantierten Festpreis für die Einspeisung nicht geändert wird. Denn wie dieser Grafik zu entnehmen ist, geht das auch im Januar 2024 munter weiter. Wenn zu viel Wind- und Solarstrom (grün) im System ist, geht der Preis (rot) gen null, und die Rechnung wird an den Finanzminister weitergereicht. (Grafik Fraunhofer energy charts, rot Börsenstrompreis, grün Erneuerbarer Strom, grau Kohle- und Gasstrom).

Die Energiefachfrau Katrin Göring-Eckardt hatte unmittelbar nach der Stillegung der Kernkraftwerke im April 2023 geweissagt: „Der Strompreis wird natürlich günstiger werden, je mehr Erneuerbare wir haben“. Nun sind es 8 Milliarden mehr, die dem Steuerzahler aufgebrummt werden.
 

Die Systemkosten für Erneuerbare Energien steigen gewaltig

Aber damit sind wir noch nicht bei allen Kosten, die uns die Energieexpertin verschwiegen hat. Immer häufiger müssen auch bei überschießender Windproduktion Anlagen abgestellt werden, und der nicht produzierte Phantomstrom wird trotzdem bezahlt. Wenn Sie also durch Deutschland fahren und stellen fest, heute sind aber wieder ganz schön viele Windräder kaputt, müssen Sie wissen: Sie sind wahrscheinlich abgestellt, weil sonst zu viel Strom im System wäre. Für den Stillstand fließt aber das Geld, als ob sie produziert hätten. Das waren im Jahr 2022 rund 1 Milliarde Euro. Die gesamten Netzanpassungsmaßnahmen, die auf Grund der schwankenden Einspeisung Erneuerbarer Energien zur Frequenzstabilisierung erforderlich waren, betrugen in 2022 4,2 Milliarden Euro. Dieser Betrag wird über die Netznutzungsgebühen von jedem Kunden bezahlt. 

Aber auch die Netzausbaukosten steigen. Der auf Grund des Ausbaus der Erneuerbaren notwendige Ausbau der Hochspannungsleitungen soll 300 Milliarden bis 2045 kosten, die Kosten der Verteilnetze in Städten und Gemeinden 150 Milliarden Euro. Einen Vorgeschmack davon bekommen wir alle seit dem 1. Januar 2024. Seitdem hat sich die Netznutzungsgebühr von 3,12 Cent je Kilowattstunde auf 6,43 €ct/kWh verdoppelt.

Die Hochspannungsleitungen in den Süden werden nötig, um den weggefallenen Kernenergiestrom in Bayern und Baden-Württemberg zu ersetzen. Allerdings ist an rund 120 Tagen im Jahr auch im Norden kein Wind, so dass dann auch die Leitungen nicht viel nützen. Hochspannungsleitungen sind kein ausreichender Ersatz für Kernkraftwerke.

Ganz schlaue Grüne schlagen daher vor, dass man in Bayern sehr viel mehr Windkraftwerke bauen möge. In Bayern ist aber die mittlere Windgeschwindigkeit  deutlich geringer als im Norden. Normalerweise würde niemand auf die Idee kommen, im windschwachen Bayern Windkraftwerke zu bauen, da sie nur halb so viel Strom produzieren können wie die gleichen Windkraftwerke im Norden. Daher haben die grünen Schildbürger im Wirtschaftministerium die Lösung geschaffen, dass Windkraftwerke in Bayern mit bis zu 55 Prozent mehr Einspeisevergütung subventioniert werden.

Jedes Windkraftwerk in Bayern, das nur auf eine Windgüte von 50 Prozent kommt, macht den Strompreis in Deutschland teurer, Denn es wird mit einem Festpreis für 20 Jahre von 1,55 x 7,35 €ct/kWh, das sind 11,4 €ct/kWh belohnt. Das ist dann die Windkraft-Beglückungsprämie der Schildbürger für Bayern. Besonders wirksam war diese Prämie offenbar bei der bayrischen Chemieindustrie, die sich massiv für Windkraftanlagen im Burghausener Chemiedreieck einsetzt. Wenn die Chemieindustrie diesen Strom direkt abnehmen würde und mit 11,4 €ct/kWh bezahlen müsste, wären diese „Unternehmen  nicht insolvent, sie hören nur auf zu verkaufen".

Biden stoppt Flüssiggasterminals für den Export nach Europa

Ende Januar verfügte US-Präsident Biden aus Klimaschutzgründen ein Moratorium für 17 weitere LNG-Exportterminals, darunter den im Bau befindliche größten LNG-Terminal Calcasieu im Golf von Mexiko. Heute gibt es lediglich 7 LNG-Terminals in den USA.
Vermutlich treibt den Präsidenten ein anderer Grund als der Klimaschutz an. Der zunehmende Export von LNG nach Europa könnte den Gaspreis in den USA ansteigen lassen. Denn am ersten Tage im Weißen Haus hatte er einen Bohrstopp für Fracking-Gas auf öffentlichem Grund verfügt. Wenn die Förderung nicht erhöht und mehr exportiert wird, steigt der Preis. Und das kann der Präsident im Wahlkampf nicht gebrauchen.

Besonders betroffen von einem Stopp des weiteren Ausbaus des LNG-Exports ist Deutschland. 83 Prozent des LNG an den vier deutschen Terminals stammen aus den USA. Bislang wurden nur insgesamt 7 Milliarden Kubikmeter in 2023 importiert. Zukünftig sollen es 30 Milliarden Kubikmeter werden, deren Lieferung aus den USA zumindest fragwürdiger geworden sind. Betroffen könnten auch die geplanten Gaskraftwerke von RWE sein, die langfristige Verträge mit US-Gaslieferanten geschlossen haben, ebenso BASF und INEOS (früher Erdölchemie Dormagen). Bejubelt wurde die Entscheidung Bidens von Klimaaktivisten in den USA sowie der deutschen Greenpeace und der Deutschen Umwelthilfe.

Bleibt als letzte Hoffnung für die Strategie der Bundesregierung: Donald Trump. Der hatte im Vorwahlkampf in Iowa erklärt, dass er weitere Bohrungen und den Export durch weitere LNG-Terminals nicht blockieren werde.

Ukraine stoppt den russischen Gastransit ab 31.12.2024

Auch auf der Pipelineseite droht Ungemach. Weitgehend ist unbekannt, dass immer noch 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas über die Ukraine nach Europa geliefert wird, insbesondere nach Österreich, Slowakei und Ungarn. Der Vertrag läuft Ende 2024 aus.
Ende Januar erklärte die ukrainische Regierung, dass der Transitvertrag mit Russland nicht verlängert wird. Die ukrainische Regierung wird dann auf 1,3 Milliarden US-Dollar Transitgebühren verzichten.

Natürlich könnte Russland auch über die Yamal Pipeline (über Polen) oder gar die noch intakte Nordstream Leitung 2 liefern. Aber es ist völlig ausgeschlossen, dass die polnische oder die deutsche Regierung hierzu bereit wären. Besonders hart getroffen wäre Österreich, das noch immer 50 Prozent seines Erdgasverbrauchs aus russisch-ukrainischen Pipelines bezieht. Ein geringer Teil könnte aus der russisch-türkischen Turkstream-Pipeline bezogen werden. Aber sie beliefert schon die Türkei und Südosteuropa und hat keine freien Kapazitäten.

Dass durch den ukrainischen Transitstopp auch Deutschland betroffen sein könnte, macht ein Statement von Wirtschaftsminister Robert Habeck deutlich. Er hatte bereits im Sommer 2023 auf einen Ausweg aus dem österreichischen Dilemma verwiesen: „Würde das russische Gas nicht in dem Maße nach Osteuropa kommen, wie es noch immer durch die Ukraine fließt, gilt, was europäisch verabredet wurde: Bevor die Leute dort frieren, müssten wir unsere Industrie drosseln oder gar abschalten.“ Deutschlands Industrie ist dann zwar nicht insolvent, hört aber auf zu produzieren.

 

Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Er war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung.

Foto: Pixabay

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Leserpost

netiquette:

L. Luhmann / 07.02.2024

“Fred Burig / 07.02.2024 @L. Luhmann:”—- Hallo Hr. Burig, mir scheint, dass Hr. V. auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen will. Und da es sich um so etwas außerordentlich Extremes wie den Great Reset handelt, finde ich das alles überhaupt nicht amüsant.

L. Luhmann / 07.02.2024

A. Ostrovsky / 07.02.2024 “@L. Luhmann : (...)”—- Herr O., wie erklären Sie die CO2-Konzentrationen während der Kambrischen Explosion? Und noch besser: wie erklären Sie die Mōglichkeit der Entstehung der Lebewesen während jener Zeit?

Klaus Keller / 07.02.2024

Danke für Ihre Mühe! Es wäre mir aber neu das nur “Die Grünen” Deutschland regieren oder in den letzten Jahren regiert hätten.

Thomas Kurt / 07.02.2024

@A. Ostrovsky: Wir können es kurz machen: es hat immer Klimawandel gegeben, es gibt Klimawandel und es wird immer Klimawandel geben. Was es nicht immer gab, was es z.Z. gibt und was es nicht immer geben wird, ist der Mensch. Er hat auf all das, was mit dem Klima auf diesem Planeten, in diesem Sonnensystem, in dieser Milchstraße und darüber hinaus passiert, keinen Einfluss, weder seine erste noch die sich selbst ernannte (leider nicht) letzte Generation. Punkt ! 80 % der Erdgeschichte waren Warmzeiten mit komplett eisfreien Polen und dahin wird sich das System wieder bewegen. Die Menschheit kennt seit ihrer Existenz nur die gegenwärtige Eiszeit mit Warm- und Kaltzeiten in dieser Eiszeit. Wenn Sie jetzt genau wissen, ob wir uns wegen angeblich ein paar heißen Sommertagen und ein paar warmen Wintertagen mehr als vor 150 Jahren am Ende der großen Eiszeit oder in einer zunehmenden Warmzeit innerhalb dieser Eiszeit befinden, sagen Sie es uns. Wegen der künftigen Auswahl der Garderobe.

Wolfgang Richter / 07.02.2024

“Bleibt als letzte Hoffnung für die Strategie der Bundesregierung: Donald Trump.”—Auch wenn “Robbärt” vor dem Scheich von Qatar zum Kotau den Bückling machte, um ein Schiffchen mit LNG zu ergattern, wird doch keiner dieser selbst ernannten politischen Sauberlinge ein Gasangebot vom amerikanischen “Schwefligen” annehmen, (so wenig wie vom russischen, zumindest -halt wegen der Moral- nicht direkt, sondern über Umwege mit dem entsprechenden Aufpreis.) So viel Charakter muß sein, den Preis zahlen ja ohnehin die “Anderen”.

A. Ostrovsky / 07.02.2024

@Ulla Schneider : Noch eine Ergänzung zum DFR: Ein Überschuss schneller Neutronen (Spaltneutronen für Plutonium) ist in meinem unmaßgeblichen Verständnis etwa das Gegenteil einer selbst-stabilisierenden nuklearen Kettenreaktion, sofern die irgendwas mit Plutonium zu tun hat. Aber wer bin ich denn.

Ulla Schneider / 07.02.2024

@A. Ostrovsky, guten Abend. Sie sind hier wieder flott unterwegs, das freut mich. - Sie können mit den Leutchen vom DFR korrespondieren.  Diese haben das angeboten. Ich bin zumindest im Verteiler drin. Möglich auch, daß sie momentan über den großen Teich sind, denn da ist das Patent gelandet. Reichte Ihnen Haferburgs Erklärungen dazu nicht? - Hätten wir so ein “Kugelchen” wäre es sehr schwierig, die vergrabenen Restmülltönnchen zur Weiterverbrennung zu verwenden. Die sind teilweise so gut wie unmöglich auszubuddeln ( nach meiner letzten ZwitscherInfo).  Tja, was der Deutsche vergräbt, daß vergräbt er richtig. In diesem doppelten Sinne mit f.G.

A. Ostrovsky / 07.02.2024

@Zdenek Wagner : >>Na da gibt’s doch noch die Tiefkühlhänchen-Speicher der Frau Baerbock. Kann man die nicht irgendwie dazwischenschalten?<< Das ist noch gar nichts. Es muss in den 60-ern gewesen sein, oder Anfang der 70-er. Da war in Frankreich eine Messe oder Ausstellung. Wie es sich für Frankreich gehört, natürlich in Paris. Da hat ein Unternehmen unter Glas ein Hähnchen ausgestellt, dass durch starke Gammstrahlung (Nuklearstrahlung) keimfrei gemacht worden war. Eines Morgens war das Hähnchen weg. Da wurden im Rundfunk Warnungen gesendet, wer das Huhn geklaut hat, soll es nicht essen. Nach meiner Kenntnis wurde es nicht wieder gefunden, aber durch logischen Rückschluss, kann man erkennen, dass der es nicht gegessen hat, sondern wahrscheinlich verfüttert hat, oder vergoldet und an die Wand genagelt. Wieso? Nach selbst hier auf der Achse wurde doch immer erklärt, dass “an radioaktiver Strahlung noch kein Mensch gestorben ist” (Originalton DDR-Sowjet-Nuklearkomplex SDAG Wismut, aber auch heute überall zu hören). Was kann man daraus lernen: Die Versprechungen sind oft absolut leer. Keiner weiß, warum man das Hähnchen keimfrei machen wollte, wenn man es um Himmels willen nicht essen darf. Oft ist es einfach Unsinn, der nur gemacht wird, um zu zeigen, dass man es kann, ohne Nutzen. Man sagt den Deutschen sowas nach, ist aber wirklich überall verbreitet. Und überall werden magische Wunder versprochen, aber man darf nicht nachfragen. Sonst wird ein Teil der Bevölkerung verunsichert. Und das wollen wir doch alle nicht. Was bleibt dann davon? Man kann es glauben oder auch nicht. Das sind die beiden Optionen. Morgen ist es vergessen. Also sind die die Tiefkühlhänchen-Speicher der Frau Baerbock nur eine weitere zukunftsweisende Erfindung, die durch dunkle Ränke verhindert wurde :-) Aber es hätte doch so schön sein können, blubb!

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